In den kommenden Tagen feiern wir in evangelischen und katholischen Gemeinden das Erntedankfest – wir danken Gott für seine Versorgung durch das ganze Jahr hindurch. Traditionell drücken wir das aus durch schön mit Blumen, Brot und Ernteerzeugnissen geschmückte Altäre oder z.B. im Christus-Treff auch dadurch, dass wir haltbare Lebensmittel sammeln und an die Tafel weiterleiten. Dank und Freude will geteilt werden, mit Gott und Menschen. Zu oft vergesse ich (und vielleicht geht es euch ähnlich), dass uns eigentlich alles – die Luft zum Atmen, der Sonnenschein, der Regen, fruchtbarer Boden, sauberes Wasser, der Wechsel der Jahreszeiten, das Reifen von Getreide, von Gemüse und Früchten und so viel mehr – von Gott geschenkt ist. Und nicht nur uns Menschen, sondern auch unseren Mitgeschöpfen, für die wir verantwortlich sind. Deshalb betete schon König David:
„Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit. Du tust deine Hand auf und sättigst alles, was lebt, mit Wohlgefallen.“ (Psalm 145,15f)
Wir Menschen sind zu vielen Dingen fähig, Guten wie Schlechten, Und auch in gewissem Maße dazu, Ernteerträge und die Produktion von Lebensmitteln positiv (oder negativ) zu beeinflussen. Doch letztlich sind wir grundlegend davon abhängig, dass Gott uns weiterhin, wie damals, nach der großen Flut, zusichert: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8,22)
Welche Macht aus dem Gleichgewicht gebrachte Naturgewalten haben, das haben wir in unserem Land z.B. vor einigen Jahren im Ahrtal miterleben müssen oder erst im September in Mittel- und Osteuropa, an Elbe, Oder und Donau. Das sind dann Zeiten, in denen wir schmerzlich ganz neu merken, wie abhängig wir von unserem Schöpfer und seiner Barmherzigkeit und Versorgung sind:
„Die Güte des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.“ (Klgl 3,22f)
Nicht nur Erntedank wird in diesen Tagen gefeiert: Unsere jüdischen Nachbarn, z.B. hier in Marburg oder auch jüdische Nachbarn unseres Teams im Johanniter-Hospiz in Jerusalem feiern gerade Rosh Hashana – den Beginn eines neuen Jahres. Nur kurz vor dem Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel am 7. Oktober rückt für viele eine besondere Eigenart von Rosh Hashana in den Blick: Es ist das einzige jüdische Fest, das nicht in die lichte Vollmondzeit fällt, sondern zu Neumond stattfindet – wenn es ganz dunkel ist. Doch: Gerade dann, wenn es ganz dunkel ist, gibt es auch Hoffnung auf Veränderung, auf das Anbrechen der Dämmerung und eines neuen Tages. In der jüdischen Überlieferung hat Gott an Rosh Hashana die Erschaffung der Welt abgeschlossen. Das Dunkel und Chaos durchdrungen, befriedet, erleuchtet, geordnet und etwas ganz Neues geschaffen. Dass das in unseren Tagen wieder geschieht, das hoffen und beten wir – für uns, für alle unsere Nachbarn, für unsere Schöpfung und Welt – und nicht zuletzt für das Heilige Land und seine Nachbarn.
„Auch die Finsternis ist nicht finster vor dir, die Nacht leuchtet wie der Tag.“ (Psalm 139,12)
Herzlich, im Namen des Christus-Treff,
Steffi Baltes