20. April 2024

Mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Nun hat die Passionszeit begonnen. Wir denken in dieser Zeit daran, wie sehr Jesus leiden musste, welche seelischen und körperlichen Qualen er aushalten musste. Und manchmal schien es ihm vielleicht, als hätte sich sein himmlischer Vater von ihm abgewendet. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, betet er mit Worten aus Psalm 22. Dieses Gefühl kennen in diesen Tagen besonders die Menschen in der Ukraine, die mehrheitlich Christen sind. Viele Jahrhunderte lang blühte auch jüdisches Leben in der Ukraine. Große Lyriker wie Paul Celan oder Rose Ausländer stammten aus Czernowitz in der heutigen Westukraine. Auch die junge Selma Merbaum, die in einem ihrer Gedichte schrieb, was viele Ukrainer in diesen Tagen sicher genauso sagen könnten: „Ich möchte leben. Ich möchte lachen und Lasten heben und möchte kämpfen und lieben und hassen und möchte den Himmel mit Händen fassen und möchte frei sein und atmen und schrein. Ich will nicht sterben. Nein!“. Selma starb in der Shoah, und mit ihr wurden in der Ukraine von den deutschen Nationalsozialisten eineinhalb Millionen jüdischer Menschen ermordet. Heute gibt es noch eine kleine, aber aktive Minderheit jüdischer Gemeinden im Land. Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj stammt aus einer jüdischen Familie. So beten in diesen Tagen viele Menschen, Juden wie Christen, in der Ukraine zu Gott, vielleicht wie Jesus mit Worten des 22. Psalms: „Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus. Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden. Sei nicht ferne, denn Angst ist nahe. Gewaltige Stiere haben mich umgeben, mächtige Büffel haben mich umringt. Aber du, Herr, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen!“ Last uns mit ihnen und für sie um Schutz beten und Gott bestürmen, seinen mächtigen Arm zu bewegen, Zerstörung und Gewalt Einhalt zu gebieten und Frieden zu schenken. Eines ist sicher: Jesus leidet mit ihnen und sorgt sich um sie. Wir tun, was wir tun können. Und Gott muss das tun, was nur er tun kann. Wir hoffen darauf, das zu sehen, wovon in Psalm 22 die Rede ist: „Er hat nicht verachtet noch verschmäht das Elend des Armen und sein Antlitz vor ihm nicht verborgen; und da er zu ihm schrie, hörte er’s. Denn des Herrn ist das Reich, und er herrscht unter den Völkern. Ihn allein werden anbeten alle Großen auf Erden; vor ihm werden die Knie beugen alle.“

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